Churn Prevention - Ein Beispiel aus der Energiewirtschaft

29 Okt. 2021  |  von Martin Clark

Ein Artikel von Apteco in Kooperation mit panadress.

Noch nie zuvor spielten Daten eine derart entscheidende Rolle für den Erfolg von Kundenmanagement wie heute. Die Corona-Pandemie hat den Trend, der bereits mit der Liberalisierung des Energiemarktes begann, noch beschleunigt: Kunden sind nur einen Klick von Vergleichsportalen, wie Check24 oder Verivox, entfernt. Ein Wechsel von einem Anbieter, der nicht die gewünschte Customer Experience liefert, zu einem, der mehr verspricht, ist dadurch leichter denn je. Schließlich erlauben die Vergleichsportale neben der Bereitstellung weiterer Informationen auch gleichzeitig eine größere Markttransparenz.

Themen wie Kundenwert, Churn Prevention, Loyalty Management und Kundenbindung haben es mittlerweile vom Vortragsthema auf der Veranstaltungsbühne zum zentralen Thema in die Chefetage geschafft. Ein Vorstandsvorsitzender, der die Entwicklung seiner Kundenbasis nicht fest im Griff hat, ist einer, dessen Tage wohl gezählt sind. Daten und Analytics bilden das Herzstück dieser Themen. In diesem Artikel legen wir einen besonderen Fokus auf das Thema Churn Prevention und entsprechende Maßnahmen zur Churn Prevention. Gleichzeitig zeigen wir dabei, wie eng die Themen Churn Prevention, Loyalty Management und Kundenbindung miteinander verwoben sind.

Definition: Was ist Churn Prevention?

Der Begriff Churn Prevention, wobei das Wort „churn“ eine Mischung aus dem englischen „change“ und „turn“ ist, heißt im Deutschen so viel wie „Abwanderungsprävention“ oder „Kündigerprävention“. Das bedeutet, dass ein Unternehmen versucht, bestehende Kunden davon zu überzeugen, ihre aktuellen Verträge nicht zu kündigen und nicht zu einem anderen Unternehmen zu wechseln. Identifiziert ein Unternehmen abwanderungsgefährdete Kunden, so muss es diese aktiv ansprechen, bevor es zu einer Vertragskündigung kommt. Zu diesem Zweck können verschiedene Marketing Maßnahmen eingesetzt werden, um die Customer Lifetime bestenfalls zu verlängern und die geschwächte Kundenbeziehung aufzufrischen und wieder zu intensivieren. Die stetige Pflege einer gesunden Kundenbeziehung ist bekannter- und bewiesenermaßen deutlich kostengünstiger als die Neukundenakquise. Churn Prevention beugt im Idealfall also der Kundenabwanderung vor.

Die nachfolgende Grafik stellt die Qualität der Kundenbeziehung im Zeitverlauf dar und zeigt, zu welchem Zeitpunkt in der Kundenbeziehung Churn Prevention ansetzt:

Churn Prevention
In Anlehnung an datasolut.com/churn-prevention

Grundsätzlich setzt sich Churn Prevention aus drei Teilaufgaben zusammen:

  • Vorhersage: Methoden, um Vorhersagen zu treffen
  • Analyse: abwanderungsgefährdete Kunden erkennen
  • Prävention: Kundenabwanderung verhindern

Kundenabwanderung in der Energiewirtschaft - ein Use Case

Herr Meier erhält seine Stromrechnung und stellt fest, dass sich der monatliche Beitrag um 50 € erhöht hat. Er ist entsetzt und nachdem er mit seiner Frau gesprochen hat, kontaktiert er das Call Center seines Energieversorgers. Dabei hatte er erst letzten Monat dort angerufen, um sich darüber zu beschweren, dass er den versprochenen smarten Stromzähler noch nicht erhalten hat. Nach langer Zeit in der Warteschleife wird er weitergeleitet, jedoch ist die Leitung nach kurzer Zeit tot. Herr Meier ruft erneut an und landet wieder in der besagten Warteschleife. Inzwischen ist er richtig wütend. Aber letzten Endes kommt er durch und kann mit einem Mitarbeiter des Call Centers sprechen. Selbstverständlich möchte Herr Meier wissen, wie es zu dieser Erhöhung kommen konnte. Der Call Center Mitarbeiter erklärt ihm, dass sein Verbrauch gestiegen ist. Dies sei wahrscheinlich durch sein Homeoffice und das Homeschooling seiner Kinder aufgrund der Corona-Pandemie bedingt. Zusätzlich wurden die Strompreise angepasst, was ebenfalls zu einer Erhöhung des monatlichen Beitrags führte. Daraufhin erkundigt sich Herr Meier, ob es eine Möglichkeit gibt bei dem vorherigen Beitrag zu bleiben. Leider gibt es diese nicht und so beendet er den Anruf und sucht gleich im Anschluss über Check24 nach einer passenden Alternative. Ein paar Tage später liegt Herrn Meier ein neues Angebot vor, das seinen alten Strombeiträgen entspricht. Er entscheidet sich für einen Anbieterwechsel und kündigt seinen bestehenden Stromvertrag.

Eine Geschichte, die sich täglich genauso in Deutschland abspielt. 

Churn Prevention durch besseres Kundenverständnis: Die Rolle von Daten und Analytics beim Aufbau einer erfolgreichen Kundenmanagement-Strategie

Nun stellt sich erst einmal die Frage, warum Churn Prevention überhaupt so wichtig ist. Warum nicht einfach den Kunden das tun lassen, was er als richtig empfindet? Warum wandern Kunden überhaupt ab und wechseln zu anderen Anbietern? Welche Maßnahmen können und sollten für die Abwanderungsprävention eingeleitet werden? Und welche Folgen hat die Kundenabwanderung für das Unternehmen?

Gründe für und Auswirkungen von Kundenabwanderung

Die Gründe für und die Konsequenzen von Kundenabwanderung sind breit gefächert. Kunden entscheiden sich in erster Linie zur Kündigung eines Vertrags, wenn sie unzufrieden sind und der Anbieter nicht die Leistung bringt, die sie erwarten bzw. benötigen. Dann heißt es für den Kunden oft im Internet nach Alternativen suchen und einen neuen Vertrag abzuschließen, in der Hoffnung, jetzt zufriedener zu werden. Ein zu hoher Preis oder ungerechtfertigtes Preis-Leistungs-Verhältnis, langsame Reaktionszeiten, schlechte Erreichbarkeit, unfreundliche (Service-) Mitarbeiter oder ein negatives Image des Unternehmens sind weitere Gründe für Kundenabwanderung.

Jedoch ist das Unberechenbare an der Kundenabwanderung selbst, dass auch zufriedene Kunden abwandern. Dies kann verschiedene Gründe haben, zum Beispiel möchten sie mal etwas Neues ausprobieren, durch einen Umzug oder Job-Wechsel verändern sich ihre persönlichen Umstände, weshalb ein bestimmter Service vielleicht einfach keinen Sinn mehr macht.

Die Folgen von Vertragskündigungen, egal aus welchem Grund, sind langfristig schädlich für die Unternehmensrentabilität, denn ein Unternehmen kann nur dann wachsen, wenn die Anzahl der Kunden mitwächst. Versucht ein Business neue Kunden zu gewinnen, so liegt im Idealfall auch eine Strategie vor, diese neuen Kunden an das Unternehmen zu binden und eine starke Kundenbeziehung aufzubauen. Je schneller Kunden abwandern, desto niedriger ist auch meist der Umsatz pro Kunde, da dieser in vielen Branchen in der Regel mit der Dauer der Kundenbeziehung einher geht.

Maßnahmen Churn Prevention: Wie können ähnliche Szenarien wie das von Herrn Meier vermieden werden?

Damit sich das Unternehmen und insbesondere das Marketing Team auf das oben beschriebene Szenario vorbereiten und die abwanderungsgefährdeten Kunden identifizieren kann, müssen Unternehmen zu den Grundlagen zurückkehren: den Daten.

Energieversorger schwimmen in Daten, jedoch müssen sie diese auch nutzen, um ein Kundenverständnis zu entwickeln, welches dann bei der Entwicklung von Marketing Maßnahmen zur Churn Prevention eingesetzt wird, um die gefährdeten Kunden zurückzugewinnen. An erster Stelle wären da die internen Daten. Diese beinhalten Stammdaten der Kunden, Verbrauchsdaten, Tarifinformationen, Kontakthistorien, Zählerstände, Beschwerden und viele weitere. All diese Informationen stammen womöglich aus unterschiedlichen Systemen und müssen erst einmal zusammengebracht werden. Jedoch hat die Energieversorgungsunternehmen (EVU) Praxis gezeigt, dass die internen Daten allein meist nicht ausreichen.

Hier kommt der Zugriff auf externe Daten ins Spiel. Diese spiegeln einen wertvollen Erfolgsfaktor und Vorteil für die EVU wieder. Ein Spektrum von rund 80 mikrogeographischen Informationen zu rund 23 Millionen Häusern in Deutschland stehen den Energieversorgern beispielsweise durch panadress zur Verfügung und veredeln zusätzlich ihren Kundenbestand bzw. seine Vertriebsgebiete. Teil dieser Informationen sind Variablen wie Gebäudestruktur, Alter, Kaufkraft, Affinität für umweltfreundliche Produkte oder Preissensibilität. Andere Arten von wertwollen externen Daten sind Social Media Daten (sogenannte „Social Listening“ Daten), die beispielsweise öffentlich verfügbare Beschwerden oder Kommentare zu Energieunternehmen beinhalten. Solche „Live“ Daten können ausgesprochen wertvoll sein, vor allem dann, wenn eine kurzfristige Reaktion gefragt ist (z. B. wenn der Kunde kurz vor einem Anbieterwechsel steht; hier müssen die Erkenntnisse dann schnellstmöglich zur Kündigerprävention eingesetzt werden). Externe Daten können auch sehr spezifische Informationen zu Konzessionsgebieten, wie Vertriebsgebiete und Tarif- und Preisinformationen der Konkurrenz beinhalten. Wenn Sie wissen, wie viele Wettbewerber ebenfalls in Ihrem Vertriebsgebiet tätig sind, erhalten Sie wertvolle Einblicke in die Wechselbereitschaft der Kunden und daraus resultierende Kundenabwanderungspotenziale.

All die zuvor beschriebenen Daten müssen in einer sogenannten Single Customer View (oder: 360° Kundenansicht) zusammengeführt werden. Typischerweise wird diese außerhalb Ihres operativen Systems (wie SAP-ISU) sitzen.

Im nächsten Schritt benötigen Sie ein Customer Analytics Tool, um aus diesen Daten Erkenntnisse zu generieren. Der schnelle und einfache Zugriff auf alle Daten, wird Ihr Verständnis der Kundendaten dramatisch erhöhen. Eine Grundvoraussetzung, um ein datengetriebenes Unternehmen zu werden. 
Haben Sie alle Daten erst einmal zusammen, haben Sie die Basis geschaffen, um ein sogenanntes Kundenwertmodell zu erstellen. Eine nicht-triviale Aufgabe, aber auf Basis der Verfügbarkeit von internen und externen Daten ist es möglich, eine klare Segmentierung Ihrer Kunden vorzunehmen, indem Kunden mit ähnlichem Customer Lifetime Value (Kundenlebenszeitwert) zusammengefasst werden. Die Charakteristiken der einzelnen Segmente können mithilfe von Modelling-Verfahren beschrieben werden, z. B.:

  • Kunden mit dem höchsten Wert sind Gaskunden mit dem Tarif XYZ,
  • die seit mindestens zehn Jahren Kunden sind,
  • in einer bestimmten mikrogeografischen Zelle in Ein- oder Zweifamilienhäusern wohnen
  • und eine überdurchschnittlich hohe Kaufkraft aufweisen.

Dieses „Profil“ kann nun auf eine Vielzahl von Use Cases angewendet werden, beispielsweise für die Pflege sowie Entwicklung von Kundenbeziehungen und die entsprechende Kundenbindung, -reaktivierung, -akquise und natürlich auch für die Vorhersage von Kündigern aus unserem vorherigen Szenario.

Führen wir uns noch einmal diesen Eingangs-Use Case vor Augen: Wie hätten wir dieses Szenario mit Herrn Meier verhindern können?

Die Antwort liegt in den historischen Daten. Analysieren wir diejenigen Kunden, die in der Vergangenheit Ihren Vertrag gekündigt haben, so können wir ein weiteres, allgemeineres Profil dieser Kündiger erstellen. Dieses beinhaltet typische Merkmale kurz vor der Kündigung.

Mögliche Variablen eines solchen Profils sind:

  • Anzahl der Beschwerdeanrufe im Call Center (interne Daten)
  • Prozentuale Tarifpreiserhöhung in den letzten zwei Jahren (interne Daten)
  • Beitragserhöhung innerhalb der letzten zwei Monate vor dem Wechsel (interne Daten)
  • Geografisches Gebiet und Informationen wie Gebäudestruktur, Gebäudealter, Heizungsinformationen, verschiedene Affinitäten zu Einstellungen/Verhalten (externe Daten)
  • Anzahl der Konkurrenten, die in dem gleichen Postleitzahlengebiet operieren (externe Daten)
  • Durchschnittspreis der Wettbewerber vs. unser Preis im Postleitzahlengebiet (externe und interne Daten)

Der nächste Schritt ist dann dieses Profil regelmäßig auf die gesamte Kundenbasis anzuwenden, um die Kunden mit der höchsten Wechselgefahr zu identifizieren.

Dies möchten wir in den nachfolgenden Dashboards veranschaulichen und einen Überblick über ausgewählte Eigenschaften einer gesamten fiktiven Kundenbasis von fast 182.000 Geschäftspartnern geben:
 

Dashboard mit ausgewählten Eigenschaften

Dashboard mit ausgewählten Eigenschaften

Im nächsten Dashboard haben wir auf diejenigen Kunden gefiltert, die laut Abwanderungs-Profil sehr gefährdet bzw. gefährdet sind abzuwandern (knapp 38.000). Das Dashboard zeigt ausgewählte Eigenschaften dieser Kundengruppe. Besonders ausgeprägt bei den gefährdeten Kunden sind beispielsweise die hohe Preissensibilität, eine hohe Affinität zu Ökoprodukten sowie eine eher durchschnittliche Kaufkraft. Außerdem leben diese Kunden in neueren Gebäuden. Wie unser Herr Meier mit zwei Beschwerdeanrufen, beschweren sich gefährdete Kunden in der Regel eher weniger, und tendieren dazu schneller abzuwandern.

Dashboard gefiltert auf sehr gefährdete Kunden

Dashboard gefiltert auf sehr gefährdete Kunden

Konkrete Marketingkampagnen können nun geplant werden, um die Kommunikation mit diesen gefährdeten Kunden vor dem Anbieterwechsel aufzunehmen. Dies könnten Anreize wie z. B. ein proaktives Angebot für alternative Tarife oder für ein Beratungsgespräch zur Reduzierung des Energieverbrauches sein. Die Kampagnen können aufgesetzt und dann über bestimmte „Event-Trigger“, wie einen hohen Kündiger-Score, automatisiert ausgesteuert werden.

Durch die Automatisierung kann der manuelle Aufwand im Marketing so deutlich reduziert und eine datengetriebene Marketing Strategie vorangetrieben werden. Immer mit dem Ziel, Kundenabwanderungen, wie die von Herrn Meier, zu verhindern, denn in seinem Fall hat der Call Center Mitarbeiter nicht versucht ihm entgegenzukommen. Er hat Herrn Meier wohl nicht als gefährdeten Kunden eingestuft und hat demnach die Chance vertan, ihn wieder zu einem glücklichen und loyalen Customer zu konvertieren, mit der Folge einer Vertragskündigung.

Je nachdem, auf welchen Gründen die Beendigung der Kundenbeziehung zum Unternehmen beruht, sollten weitere Aspekte untersucht werden, um zukünftiger Kundenabwanderung vorzubeugen. Unter anderem sollte geprüft werden, ob Strukturen innerhalb des Unternehmens angepasst werden müssen, wie beispielsweise die Verbesserung des Kundenservices. Des Weiteren ist es vorteilhaft Top Kunden zu identifizieren und ein Gefühl von Wertschätzung zu vermitteln. Es können auch Austrittsbarrieren implementiert werden, die z. B. auf personalisierten Erfahrungen beruhen oder auch längere Vertragsdauern von Anfang an.

Fazit zu Churn Prevention

Für die Kündigerprävention ist ein tiefes Kundenverständnis und eine starke Kundenbeziehung sowie ein valides Kundenwertmodell von höchster Bedeutung. Diese können Sie nur aufbauen, wenn Sie Ihre internen und externen Daten systematisch zusammenbringen. Zudem müssen sie über direkten Zugriff auf diese Daten über ein Analyse-Tool verfügen. Das Kundenwertmodell stellt die Basis für Ihre datengetriebenen Ansätze für eine Vielzahl der zuvor beschriebenen Marketing Use Cases dar. Ein Marketing Automation Tool wird es Ihnen erlauben automatisiert Aktionen von den aus der Analyse generierten Insights abzuleiten. Bei Apteco nennen wir diesen Ansatz „Insight into Action“. Er bildet die Basis für ein erfolgreiches Kundenmanagementprogramm, um eine loyale und profitable Kundenbasis zu schaffen und Ihren Erfolg in der Energiebranche für die Zukunft zu sichern.

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Weitere Informationen zu den Autoren des Artikels finden Sie unter panadress.de und apteco.de.

Martin Clark

Geschäftsführer

Der gebürtige Brite Martin Clark zählt mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Daten-, Technologie- und Marketing-Umfeld zu den Experten in Customer Analytics und Kampagnen Automation. Als Geschäftsführer der Apteco GmbH verantwortet er den Geschäftsausbau des Marketing Software-Anbieters in der DACH-Region vom deutschen Standort aus in Frankfurt am Main. Unter dem Motto „Insight into Action“ hilft Apteco Unternehmen dabei, mit analytischen Insights ihre Kundenbindung zu stärken, Kunden durch Personalisierung zu begeistern und zu loyalen Fans entlang der Customer Journey umzuwandeln.

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